Neue Rezepte für eine starke Nachhaltigkeitspolitik, 2. Jahrestagung RENN.west (Regionale Netzwerkstellen Nachhaltigkeitsstrategien) ARENA 2018, Frankfurt | 22.11.2018

60% Artensterben seit 1970 machten sie als Biologin besonders betroffen, so Dr. Beatrix Tappeser, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Begrüßung zur 2. RENN.west-Jahrestagung. Sehr positiv sei, dass 90% der Hessen bei der Landtagswahl im Oktober 2018 für Nachhaltigkeit als Verfassungsziel stimmten.



Michael Schlecht, Vorstand ANU Hessen/ RENN.west wies daraufhin, dass die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sehr schleppend verlaufe und führte u.a. jüngste Ereignisse an wie Aussagen des RWE-Chefs Medienberichten nach  „Der Hambacher Forst muß eh weg“ oder auch die Diskreditierung der Dt. Umwelthilfe aufgrund von deren Diesel-Klagen. Verkehrte Welt?

Im Fokus der Veranstaltung standen 2 Keynotes. Zum einen „Ergebnisse des Internationalen Peer Reviews der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“, von Karl Falkenberg, ehem. Sonderberater für Nachhaltige Entwicklung beim Zentrum für politische Strategie der EU-Kommission. Zum anderen „Nachhaltigkeit als Verfassungsziel“ von Prof. Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung.

Karl Falkenberg stellte fest, dass bei der Umsetzung der Agenda 2030 ein Aspekt des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit (Ökologie, Soziales und Ökonomie) außen vor bliebe: Die Ökonomie – Wirtschaft – diese bliebe s.E. ausgenommen von der Nachhaltigkeit. Als Beispiel führte er die Handelsbilanzüberschüsse an, die auf Kosten anderer Länder gingen. Auch in Hinsicht auf die Verringerung der Ungleichheit, beispielsweise im Bereich Gender bemängelte er, dass hinsichtlich der ungleichen Bezahlung das Ziel für 2030 eine Reduzierung lediglich von 10% sei. Gleiches fände sich beim Thema Umweltverschmutzung.

Es fehle der politische Wille.

Günther Bachmann bestätigte, dass es zum Thema Nachhaltigkeit nicht voran gehe. Man bewege sich auf der Ebene des „Berichte schreibens“. Die Klimaziele für 2020 werden nicht erreicht, die Versiegelung der Flächen dagegen schreite unverhältnismäßig voran, die Ungleichheit weltweit nehme zu. Durchschnittliche Lebenserwartung und durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich Afrika und Europa z.B. zeige das deutlich.

Seines Erachtens hat das Thema Nachhaltigkeit in der Bevölkerung einen höheren Wert als in der Politik. Die zivilgesellschaftlichen Akteure im Bereich Nachhaltigkeit sind die am stärksten wachsende soziale Gruppe in Deutschland.

Dr. Klaus Reuter, LAG 21 NRW/ RENN.west berichtete, dass von 16 Bundesländern inzwischen 13 Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt hätten, davon 3 unter Berücksichtigung der Sustanaible Developments Goals. In den über 10.000 Kommunen hätten sich 200 auf den Weg gemacht zu einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Der Nachmittag der Veranstaltung gestaltete sich mit 4 Workshops und anregenden Praxisbeispielen zum Thema Digitalisierung, Bildung, Partizipation der Jugend und Artenvielfalt im World-Cafe-Format. Ich entschied mich für „Digitalisierung und ländliche Räume“. Im Impulsvortrag von Judith Herzog-Kuballa vom Verband der deutschen Anlagen- und Maschinenbauer kam zur Sprache, dass Nachhaltigkeitsstrategie und Digitalisierungsstrategie von Regierungseite nicht aufeinander abgestimmt war. Der Vortrag behandelte außerdem  Themen wie Industrie 4.0 – die Entwicklung digitalbasierter Geschäftsmodelle zur Effizienzsteigerung.

Arndt Müller, Vorstand der Stadtwerke Trier, berichtete anschließend vom beeindruckenden Weg der Stadtwerke hin zur Digitalisierung. Die Stadtwerke Trier wurden 2018 als einer von drei Gewinnern mit dem Stadtwerke-Award „Stadtwerke der Zukunft“ des VKU, Verbands kommunaler Unternehmen ausgezeichnet.

Weitere Gestalter des Workshops „Digitalisierung und ländliche Räume“ waren Marc Wartenphul von der Energieagentur Rheinland-Pfalz, Michael Matern, Umweltcampus Birkenfeld, Dr. Viktor Klein, Verbandsgemeinde Birkenfeld und Stefan Kunz, Regionale Entwicklungsagentur.

Im Anschluß fand die Auszeichnungsfeier „Projekt Nachhaltigkeit 2018“ statt. Erstmals 2011 verliehen, lagen für 2018 insgesamt 450 Einreichungen vor, annähernd doppelt so viele wie 2017. Von den Projekten bewarb sich ein Großteil mit dem Schwerpunktthema der globalen UN-Nachhaltigkeitsziele. 42 Projekte wurden ausgezeichnet – zehn für jedes der vier RENN-Gebiete Nord, Süd, Mitte und West und zwei internationale Projekte als Sonderpreis.

Zu den Gewinnern: https://www.projektnachhaltigkeit.renn-netzwerk.de/preistraeger/


Hessen ist das erste der 16 Bundesländer, die Nachhaltigkeit in die Verfassung aufgenommen hat. Das erfordert die Schaffung von neuen Strukturen. Eine neue Gesetzgebung scheint nicht in Aussicht zu sein. Die grundsätzliche Empfehlung zu neuen Rezepten für eine starke Nachhaltigkeitspolitik, quasi das Fazit der Veranstaltung, von Seiten von Renate Labonte, Leiterin der Geschäftsstelle Nachhaltigkeitsstrategie,  lautete: Bottom up! Der Druck von außen auf die Politik muß stärker werden.

Monika Stoehr, November 2018


Mehr über den Veranstalter:

https://www.renn-netzwerk.de/west/


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